Regionalität ist aktuell das Mantra für viele, wenn es um nachhaltige Lebensmittel geht. Ein Blick in die Spitzengastronomie bestätigt das auf den ersten Blick.  So kocht der mit 3 Michelin Sternen dekorierte Südtiroler Koch Norbert Niederkofler ausschließlich mit Lebensmitteln aus der unmittelbaren Umgebung. Er hat sich der Nachhaltigkeit verschrieben und setzt mit seinem „Cook the Mountain“ ausschließlich auf hochwertige und natürliche Zutaten aus der unmittelbaren Region. Eine Avocado oder Muscheln wird man auf seinen Tellern nicht finden. Aber ist das für einen durchschnittlichen Hobbykoch machbar und erstrebenswert? Und koche ich automatisch nachhaltig, wenn ich Produkte aus der Region kaufe? Zumindest glauben das viele, 65 % der Bevölkerung kaufen in Österreich bewusst regional, das ist das beachtliche Ergebnis einer aktuellen Studie der Arbeiterkammer. Dabei liegt die Krux schon im Begriff Region. Was bedeutet regional konkret? Wikipedia bietet dafür eine sehr sperrige Definition:

„Region bezeichnet in der Geografie und der Raumordnung ein anhand bestimmter Merkmale abgegrenztes Teilgebiet der Erdoberfläche. Eine Abgrenzung erfolgt üblicherweise nach Kriterien regionsinterner (z. B. landschaftlicher oder kultureller) Homogenität oder funktionaler Zusammengehörigkeit (bspw. der Einpendlerbereich einer Stadt), welche jedoch nicht immer räumlich präzise vorgenommen werden kann. Darüber hinaus kann Region auch eine räumliche Einheit im hierarchischen Verwaltungsaufbau eines Staates bezeichnen, welche zwischen Stadt und Staat einzuordnen ist.“

Ist 650 Kilometer entfernt noch regional

Also kann eine Region eigentlich alles sein – ein Bezirk, ein Bundesland, ein Staat wie Österreich oder eine internationale Region wie der Alpen-Adria-Raum? Die meisten verstehen darunter aber landläufig wohl ihr Bundesland oder Österreich.

Aber warum sollte der Spargel aus dem Marchfeld für jemanden aus Kärnten regionaler sein, als der Spargel aus Oberitalien? Die Strecke, die das edle Frühlingsgemüse vom Feld bis in den Laden zurücklegt, ist vom Weg her genauso weit. Das gilt auch für Marillen aus Ungarn. Für einen Burgenländer ist die Ostseite des Neusiedlersees immer noch näher, als wenn die köstlichen Früchte in der Wachau geerntet und dann nach Eisenstadt transportiert werden. Ganz zu schweigen von den Kilometern, die Lebensmittel hinter sich haben, wenn sie über das Zentrallager in die Supermärkte geliefert werden. Trotzdem, regional ist äußerst positiv besetzt. Es klingt nach – aus der Heimat, von kleinen Produzenten, nach hoher Qualität, kurzen Transportwegen und gibt einem das Gefühl, etwas Hochwertiges zu kaufen.

Das Narrativ der Regionalität

Aber leider heißt regional weder, dass Lebensmittel eine hohe Qualität haben und noch, dass sie nachhaltig hergestellt wurden. Außerdem hat der Begriff den leicht bitteren Beigeschmack, dass inländische Produkte automatisch immer besser sind, als Produkte aus dem Ausland. Dabei ist der Begriff  „Regionalität“ gesetzlich gar nicht geregelt. Das heißt, auch ein Produkt, das in Vorarlberg hergestellt und von Bregenz nach Eisenstadt transportiert wird, kann sich regional nennen, obwohl es 650 Kilometer weit gereist ist. Von Eisenstadt nach Budapest sind es nur 220 Kilometer und das würde wohl in der Werbung nicht mehr als regional durchgehen.

Das Narrativ der Regionalität haben uns die Supermärkte über viele Jahre hinweg mit gut gemachter Werbung vermittelt. Natürlich spielt der kurze Transport für den niedrigen CO2 Fussabdruck eine Rolle und der Salat ist knackiger und schmeckt besser, wenn er frisch vom Feld kommt. Und es ist ohne Zweifel gut, die heimische Landwirtschaft ökonomisch zu unterstützen. Aber abseits der Transportdauer und der Art der Warenlieferung sind auch die Antworten auf folgende Fragen wesentlich: Sind Rinder und Schweine industriell aufgewachsen und gemästet worden? Wurde dafür Soja oder Mais aus Südamerika verwendet? Wurde der Acker mit chemischen Düngemitteln behandelt? Wenn die Antworten auf Ja lauten, sollten wir genauer hinschauen. Denn dann ist der kurze Transportweg aus Niederösterreich wohl nur ein Tropfen auf dem heißen Stein der Nachhaltigkeit. Das gilt auch für Gemüse, das mit Pestiziden behandelt wird und oft aus einer Monokultur stammt, was auch die Fruchtbarkeit der Böden langfristig schädigt. Das alles weiß ich allerdings nicht, wenn ich beim Einkauf nur auf „Regionalität“ achte.

Auf was soll ich denn dann schauen?

Ob Fleisch-, Milch oder Getreidelandwirtschaft, in allen Fällen ist, neben der Regionalität, ein guter Indikator, ob die Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft kommen. Das Bio-Siegel garantiert eine nachhaltige Bewirtschaftung und Kontrolle in der Herstellung. Damit habe ich als Konsument die Sicherheit, dass auf das Tierwohl ebenso geachtet wird, wie auf einen nachhaltigen Anbau von Getreide und Gemüse, bei dem bestimmte Pestizide und Düngemittel nicht zum Einsatz kommen, die der Natur und unserer Gesundheit schaden.

Und darüber hinaus kann man davon ausgehen, dass handwerklich bzw. in kleinen Manufakturen hergestellte Produkte, wie beispielsweise Käse eine bessere Qualität und mehr Geschmack haben. Was das Gemüse betrifft, sind wir sicher alle gut beraten, wenn wir Obst und Gemüse essen, wenn Saison dafür ist. Tomaten aus dem beheizten Glashaus aus der Steiermark sind zwar auch im Winter regional, aber nicht saisonal und wegen des hohen Energiebedarfes alles andere als nachhaltig.

Natürlich ist eine biologische Produktion aufwendiger und teurer, weil es um Klasse statt Masse geht. Und die bringt für den Produzenten weniger Ertrag, als eine industrielle Herstellung. Und das schlägt sich dann auch in der Brieftasche des Konsumenten nieder. Allerdings sprechen wir hier von keinen Unsummen, oft sind es nur wenige Cent Aufpreis.

Aufbrauchen statt Verschwenden

Immer wenn es um den Preis von Bio-Lebensmitteln geht, fällt mir ein, wie viele genießbare Lebensmittel jeder Haushalt im Jahr wegwirft. Rund 40 % der gekauften Lebensmittel landen im Müll, ergibt eine Schätzung des WWF.  In Österreich sind das rund 60 Kilogramm pro Haushalt. Und dabei wird vielfach angenommen, der Handel und die Gastronomie verursachen die höchsten Müllberge. So ist es aber nicht, mehr als 50 Prozent der Lebensmittelabfälle stammen von privaten Haushalten. WWF spricht von 521.000 Tonnen privatem Lebensmittel-Müll. So werden nicht nur Ressourcen vergeudet, die das Klima schädigen, sondern auch Geld weggeworfen. Bis zu 800 Euro sind das pro Haushalt und Jahr. Besser wäre es, dieses Geld in hochwertige Lebensmittel zu investieren. Dafür müssen wir nur bewusster, weniger und dafür öfter einkaufen gehen.

Regionalität bei Produkten & Rezepten

Zurück zu Norbert Niederkofler, der im italienischen Restaurant St. Hubertus seine außergewöhnlichen alpinen Kreationen auf den Tisch bringt. Er arbeitet wie viele Spitzenköche mit lokalen Qualitäts-Produzenten zusammen und bringt mit Lärchenzapfen und Latschenkiefer den Geschmack der Bergregion in seine Küche. Auch in der Nordic Cusine geht man diesen Weg und versucht den Geschmack der Region auf moderne und ungewöhnliche Art auf die Teller zu bringen. Diese Philosophie war wohl mit ausschlaggebend, dass das „Noma“ in Kopenhagen für einige Jahre zum besten Restaurant der Welt gekürt wurde. Diese radikale Regionalität könnte für Hobbyköch*innen, aber auch für die Mittelklasse-Gastronomie sehr inspirierend sein. Warum sich nicht auch mit Wildpflanzen und Pilzen aus der näheren Umgebung auseinandersetzen und so neue Geschmackswelten entdecken. Und nochmal regional könnte es mit Rezepten aus der Region werden. Einen neuen Twist in vergessene Rezepte hineinzubringen, das würde auch den Speisekarten von so manchem Restaurant guttun. Dort fehlt es oft an Abwechslung, mit Burger (ob veggie oder mit Fleisch), Curry und Ceviche kann man sich mittlerweile nicht mehr abheben.

Die Regionalität lässt sich also durchaus vielfältig interpretieren, der Begriff ist allerdings wenig konkret und lässt sich für vieles einspannen. Aber wie man es dreht und wendet, Regionalität für sich alleine ist nicht sehr aussagekräftig. Beim Einkauf empfiehlt es sich, neben der Frage nach dem Woher der Produkte, auch der Saisonalität und Herstellung mehr Augenmerk zu schenken. Und dabei darf man auch über den geografischen „Tellerrand“ von Österreich hinausblicken.

Isi

Isi

Ich koche mit Leidenschaft. Genießen mit Verantwortung ist mein Credo.

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