Ich bin infiziert! Mit dem Brotback-Virus. Passiert ist das ganze bei einer Einführung in die italienische Brotbackkunst. Ich war in der Backstube von Pane Madre, die zum kulinarischen Reich von Luca Miliffi gehört. Luca Miliffi´s Firma Cibus beliefert seit vielen Jahren die Spitzengastronomie mit italienischen Köstlichkeiten, die es sonst in Österreich kaum wo gibt. Sein Lager ist überwältigend, ein italienisches Schlaraffenland mit einer Riesenauswahl vom Besten. Allein 300 verschiedene Mehlsorten stehen zur Auswahl. „Eine ausgetüftelte Logistik sorgt dafür, dass der heute in Süditalien frisch hergestellte Mozzarella morgen schon im Wiener Spitzenrestaurant am Tisch steht“, erzählt Luca. Berühmt ist der gebürtige Italiener, der aus den Marken kommt, für seine Trüffel-Expertise. Er beliefert so gut wie die komplette Top-Gastronomie. Und jetzt macht er mit seinen beiden MitarbeiterInnen Marco und Urbana auch noch Brot und zwar köstliches italienisches Brot zum Niederknien. Und Küchenchefs haben die Möglichkeit, sich in die italienische Brotback-Tradition einschulen zu lassen.
In der italienischen Bäckerei bei Marco Ramassotto und seiner Kollegin Urbana.
Aus der Backstube
Ich durfte einen Vormittag lang dem Bäcker Marco Ramassotto über die Schulter schauen. Seit Juni bäckt er gemeinsam mit seiner Kollegin Urbana von Montag bis Freitag verschiedene italienische Brote – aus Weizen- und Roggenmehl, Hartweizengrieß, mit Mohn und Körnen oder pur. Aus dem Ofen kommen neben verschiedenen knusprigen Broten auch duftende Cornetti und mit Tomaten oder roten Zwiebeln belegte Focacce. Ich wollte wissen, warum das alles so gut schmeckt und wie ich das auch zuhause nachbacken kann. Der sympathische Marco hat nicht lange gezögert. „Es ist meine Philosophie, Rezepte und Wissen auch weiterzugeben und damit mehr Gutes zu schaffen“, erklärt Marco mit Leidenschaft. Nach diesem Vormittag in der Backstube weiß ich nun, was ich tun muss, damit die Focaccia richtig gut wird. Eine, die außen so wunderbar kross ist und innen fluffig weich. Und das Beste, ich darf dir das Rezept weitersagen und auch die Tricks und Kniffe zum Gelingen verraten.
Ruhe bitte!
Aber vorher erzähle ich dir noch ein paar andere Erkenntnisse meiner Backexpedition. Das Wichtigste zuerst, du brauchst Zeit, viel Zeit. Ob Sauerteig oder Germ als Backtriebmittel dienen – alle Brotteige müssen immer wieder rasten. So sind beim Sauerteig etwa 40 Arten von Milchsäurebakterien damit beschäftigt, unzählige Aromen im Teig zu entfalten. Außerdem sorgen sie dafür, dass der Teig locker wird und wir kein Bauchzwicken vom frischen Butterbrot bekommen. Durch das Zusammenspiel von Zeit und Temperatur lässt sich der Gärungs- oder Fermentationsprozess beeinflussen. Und zwar wird er durch Kühlung verlangsamt.
Damit komme ich wieder zur Focaccia zurück. Ich habe unter Anleitung von Marco um 10 Uhr vormittags einen Vorteig mit Germ gemacht. Nach seiner Regel sollte der Vorteig 18 bis 20 Stunden bei 18 bis 20 Grad – also niedriger Zimmertemperatur – rasten. Ok, das heißt also, ich müsste am nächsten Tag, um 6 Uhr früh den Focacciateig fertig machen. Zum Glück gibt´s einen Kühlschrank. Den Vorteig habe ich um 18 h in den Kühlschrank gestellt und am nächsten Tag um 10 Uhr – also exakt 24 Stunden später weiterverarbeitet. Dieses Zeitmanagement ist allerdings sehr ausgefuchst. Übersetzt heißt es, ich habe die Ruhephase um 4 Stunden durch die Kühlung verlängert. Pro zusätzlicher Stunde Ruhezeit musste der Vorteig vorher für 3 Stunden in den Kühlschrank.
Mehl hat´s in sich
Aber nicht nur die Ruhezeiten haben es in sich – auch der Teig sollte idealerweise, wenn er fertig geknetet ist, eine Temperatur von 22 Grad haben. Und damit es überhaupt ein guter Teig wird, spielt das Mehl eine entscheidende Rolle. Marco verwendet natürlich feinste italienische Mehle. Er ist ein Experte und erzählt, dass er Mitbegründer einer Mehlmanufaktur war, die direkt mit italienischen Bauern zusammengearbeitet hat. Diese und viele andere Qualitäts-Mehle landen in Marcos Broten – die Rosello, Nero Viennese oder 1000 Semi heißen. Damit du auch zuhause köstliches Brot machen kannst, hier ein paar Tipps, worauf es beim Kauf von Mehl ankommt. Wichtig ist es, dass das Mehl nicht zu ausgemahlen ist. Typ 480 ist das gängige glatte Weizenmehl, das du in jedem Supermarkt bekommst. Besser geeignet zum Brotbacken ist der Typ 700. Die Typenzahl zeigt, wie hoch der Mineralstoffgehalt ist und wie viele Randschichten des Getreides noch im Mehl sind. Umso ausgemahlener das Mehl ist, umso heller ist es. Das sind Mehle mit niedriger Typenzahl. Die Bezeichung glatt und griffig bezieht sich auf die Korngröße. Für Brot ist glattes Mehl mit einer höheren Typenbezeichung am besten geeignet. Diese Mehle haben einen volleren Geschmack. Bei Roggen ist übrigens die Type 960 für Brot ideal. Aber unser Meisterstück – die Focaccia – wird mit Weizenmehl gemacht.
Vor dem Backen
Gut Ding braucht Weile
Eigentlich hält uns jetzt nichts mehr auf, mit der Focaccia zu starten. Es ist 10 Uhr, einen Tag nachdem ich den Vorteig in Marcos Backstube angesetzt habe. Also höchste Zeit, den Vorteig aus dem Kühlschrank zu holen. In Italien übrigens Biga genannt. Die Biga hat jetzt 24 Stunden geruht – davon 16 Stunden im Kühlschrank, um die Gärung zu verlangsamen.
10.00 h Jetzt muss die Küchenmaschine her. Mehl, Wasser, Salz, der Vorteig und das Olivenöl werden zu einem geschmeidigen Teig geknetet. In einer warmen Schüssel an einem warmen Ort, ohne Zug rastet er nun die ersten 45 Minuten. Marco rät, „Am besten stellst du den Teig ins geschlossene Backrohr und stellst eine Schüssel mit heißem Wasser dazu“.
11.00 h Der Teig sollte sich jetzt nahezu verdoppelt haben. Jetzt teilst du den Teig und schlägst jedes Teigstück sanft in sich zusammen. Dann wird die Teigkugel auf ein geöltes Blech gelegt und darf wieder 45 Minuten bei Raumtemperatur rasten.
12.00 h Nun wird der Teig mit den Händen auf dem Backblech ganz sanft glatt gestrichen. Dann kommen die Tomatenhälfen darauf, die vorher gesalzen und leicht gezuckert wurden. Und ja, richtig geraten – die Focaccia rastet ein weiters Mal für 45 Minuten.
13.00 h Nun wird die „Salamoia“ gemacht. Das ist eine Emulsion aus Wasser, Salz und Olivenöl. Bevor die Emulsion über die Focaccia kommt, werden noch die typischen Löcher mit Zeige- und Mittelfinger in die Focaccia gemacht. Und ein letztes Mal muss die Focaccia für 45 Minuten rasten.
14.00 h Jetzt darf sie endlich für etwa 14 bis 18 Minuten ins Backrohr. Im auf 220 Grad Unter-/Oberhitze vorgeheizten Backrohr stellst du das Blech zuerst direkt auf den Boden. Dort bleibt es 7 Minuten. Dann erst schiebst du das Blech auf die mittlere Schiene.
14.30 h Endlich –die Focaccia ist fertig. Es duftet köstlich und ich will eigentlich gleich hineinbeißen. Warm schmeckt sie ja auch am besten.
Es ist in der Tat ein wirklich aufwendiges langwieriges Procedere. Aber es zahlt sich aus. Versprochen!
Ich will dir die Mengen und Zutaten natürlich nicht vorenthalten. In meiner Rezeptrubrik findest du auch eine Beschreibung der Arbeitsschritte in Bildern. Zum Focaccia-Rezept.
Vom Vorteig bis zur Focaccia
Es geht noch mehr
Noch einmal zurück in die Backstube, die demnächst noch größer und schöner wird. Luca, der Besitzer plant gerade den Ausbau. „Unser Ofen ist noch ein Cinquecento“, sagt Luca in Anspielung auf das kleine FIAT-Automobil. „Da wird es aber bald etwas Besseres geben“, ergänzt Luca. Die besten Vorsetzungen, damit es noch viele weitere Brot-Köstlichkeiten geben kann. Aktuell sind es rund 15 Sorten, die jede Woche knusprig aus dem Ofen kommen. Ich habe auf jeden Fall Feuer für´s Brotbacken gefangen. Es fasziniert mich, wie mit wenigen und den immer gleichen Hauptzutaten Mehl, Wasser und Salz so viele unterschiedliche verschieden schmeckende Köstlichkeiten entstehen können. Zeit, Leidenschaft und die Freude am Tun sind wohl die wichtigsten „Gewürze“ für ein richtig gutes Brot.