6.000 Kilo Fleisch isst jede ÖsterreicherIn durchschnittlich im Lauf des Lebens. Das sind etwa 1.300 Tiere für jeden einzelnen von uns – so eine Berechnung von Global 2000.  Das ergibt eine sehr üppige Schlachtplatte aus 817 Hühnern, drei Rindern, 32 Schweinen, drei Schafen und mehr als 400 Fischen. Jedes dieser Tiere benötigt enorme Mengen an Futter. 25 Kilo davon braucht es für nur ein Kilo Rindfleisch. Der weltweit wachsende Fleischkonsum forciert so die Abholzung des Regenwaldes. Denn auch die Rinder bei uns fressen Import-Soja. Damit werden immer größere Anbauflächen für Soja gebraucht, um den enormen Fleischhunger der Welt stillen zu können. Futter und Fleisch bleiben nicht im Regenwald, sondern werden quer durch die Welt transportiert. Unser Fleischkonsum heizt so auf vielfache Weise den Klimawandel an.

Wir haben die freie Wahl

Also höchste Zeit für einen veganen oder zumindest vegetarischen Lebensstil? Wir haben in Europa den Zenit des Wohlstands erreicht. Unsere Märkte und Bäuche sind gesättigt, ein Drittel der produzierten Lebensmittel landet auf dem Müll. Die meisten von uns haben freie Wahl, was sie essen. Abhängig von unserer Geldbörse und unseren Werten hat sich die Gesellschaft kulinarisch gespalten. In Österreich gibt es laut der Agrarmarktanalyse 2019 rund 2 % VeganerInnen und etwa 4 % VegetarierInnen. Die Gruppe der FlexitarierInnen liegt konstant bei 16 % der Bevölkerung. Das sind jene Menschen, die nur hin und wieder Fleisch essen. Die große Mehrheit allerdings isst nach wie vor Fleisch, viel Fleisch. Im Durchschnitt vier Mal soviel wie noch vor 60 Jahren. Da gibt es den hedonistische Bio-Käufer, der sein Fleisch beim persönlich bekannten hippen Jungbauern kauft und in ein französisches Schmorgericht verwandelt. Oder der gemütliche Nachbar, der regelmäßig nach Feierabend die Steaks in Portionen von 400 Gramm auf den überdimensionierten Griller hievt und damit seine Freunde gebührend beeindruckt.  Und dann ist da noch die mehrköpfige Familie, die beim Diskonter für wenig Geld das Hendl für´s Wochenende ins Einkaufswagerl legt, weil es eben finanziell nicht anders geht.

Fleisch gehört dazu

Alle essen gerne Fleisch, wenn auch Fleisch in unterschiedlicher Qualität. Dass für Billig-Fleisch Tiere leiden und unter unwürdigen Bedingungen bis zur Schlachtung aufwachsen, lässt wohl niemanden kalt.  Vielen ist es im Alltag egal, wenn sie vor dem Kühlregal im Supermarkt stehen und nach der Aktionsware Ausschau halten. Denn sonst würde es nicht so viele Menschen geben, die lieber billiges Fleisch essen, anstatt weniger Fleisch in besserer Qualität. Und auch die Vegetarier und Veganer laben sich indirekt am „Fleisch“. Wie ist es sonst zu erklären, dass Fleischersatz-Produkte ein so großer Renner sind? Der Beyond-Burger aus rein pflanzlichen Zutaten eines US-amerikanischen Herstellers macht sich auch gerade auf österreichischen Speisekarten breit. Der oberösterreichische Fleischereibetrieb Neuburger setzt seit einiger Zeit mit der Marke „Herman Fleischlos“ auf Fleisch ohne Fleisch. Der Geschmack von Fleisch oder der nachgeahmte Geschmack mit pflanzlichen Zutaten, die wie Fleisch schmecken, scheint essentiell für die Menschen zu sein. Erklären lässt sich das wohl nur mit unserer Geschichte. Wir jagen bereits seit zwei Millionen Jahren Tiere, um sie zu verzehren. Für Anthropologen ist es klar: Der Genuss von Fleisch war entscheidend für die menschliche Entwicklung. Er stellte die kontinuierliche Energieversorgung des Menschen sicher und damit die Weiterentwicklung kognitiver Fähigkeiten, wie beispielsweise die Sprache. Vor rund 10.500 Jahren wurden im Nahen Osten die ersten Tiere gezähmt. Das war der Beginn der Viehhaltung, die damit begann, die Milch und Eier der Tiere zu nutzen. Erst im 18. Jahrhundert wurden Tiere auch wegen ihres Fleisches von Bauern gehalten. Davor wurde gejagt. Fleisch war in unterschiedlichen Kulturen über die Jahrtausende durchwegs positiv besetzt. Es steht für Stärke und Wohlstand. Auch in der Religion spielt Fleisch – aber auch der temporäre Verzicht darauf – eine wesentliche Rolle.

Die Entscheidung liegt bei uns

Fleischessen ist auf unterschiedlichen Ebenen ganz tief in der Kultur des Menschen verankert. Erst unser Wohlstand und unsere Sattheit haben es überhaupt möglich gemacht, darüber nachzudenken, ob Fleisch zu essen, etwas „Böses“ ist.  Böse ist es, wie wir vielfach mit den Tieren umgehen. Dass wir Tiere wie Hochleistungs-Maschinen behandeln, anstatt wie Lebewesen, die ein artgerechtes Aufwachsen verdient haben. Es ist unwahrscheinlich und widerspricht der menschlichen Evolution, dass alle Menschen Vegetarier oder Veganer werden. Fleisch-Ersatzprodukte zeigen, dass es für viele Menschen, die aus unterschiedlicher Motivation auf Fleisch verzichten, oft doch noch nach Fleisch schmecken soll. Wir sollten uns besinnen, dass beim Fleischkonsum auch gelten kann: „Weniger ist mehr“. Viele haben das schon erkannt. Sie schätzten die Vielfalt an Gemüse, Getreide und Obst. Noch nie in der Geschichte der Menschheit hatten wir so eine Fülle an Lebensmitteln, um unseren Speiseplan bunt zu gestalten. Fleisch ist nur ein Teil davon. Bessere Bedingungen in der Tierhaltung und der Fleischproduktion bedeuten zwar meist höhere Preise. Aber es muss ja nicht jeden Tag Fleisch am Teller sein. Schmeckt das Schnitzel nicht gleich viel besser, wenn es nur einmal in der Woche am Speiseplan steht? Und ist der Genuss nicht viel größer, wenn auch das Schwein oder Hendl ein gutes Leben hatten?  Noch dazu schmeckt der Braten um ein Vielfaches feiner, wenn das Rind gut gefüttert und aufgezogen wurde. Und gesünder ist es auch, für alle Beteiligten. Die fleischreduzierte Lebensweise wird wesentlich sein, den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Das sollte Grund genug sein, Fleisch wieder zu dem zu machen, was es einmal war: Etwas Besonderes, das nicht jeden Tag auf den Tisch kommt.

Quellen:

„Essen: Kultur, Tradition, Herkunft“, 2018, DK-Verlag, 360 Seiten
Global 2000 
derstandard.at

Isi

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Ich koche mit Leidenschaft. Genießen mit Verantwortung ist mein Credo.

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